[Veröffentlichung am 25.03.2017 auf www.hna7.de] Die Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer – kurz: V-Partei³ – gibt es seit 2016. Wir stellen sie hier vor – und sagen, warum die Partei der Meinung ist, dass auch Fleischesser sie wählen sollten. Wir haben mit Roland Wegner gesprochen, dem Bundesvorsitzenden der V-Partei³.

Bevor wir uns mit Ihrer Partei beschäftigen: Haben Sie vom Kasseler Bratwurststreit gehört?

Roland Wegner: Ja, der Verein „Umwelthaus e. V.“ organisiert ein Straßenfest unter dem Motto „Tag der Erde“ und folgerichtig hat man sich dort gegen tierische Wurst entschieden. CDU, SPD und AFD wollten das mit einer Resolution verhindern, die Grünen haben sich seltsamerweise enthalten.

Manche Menschen fragen sich, ob es in Kassel keine gravierenden Probleme gibt. Was sagen Sie zu der Diskussion?

Roland Wegner: Bei unserem politischen Aschermittwoch derbleckte (etwas spöttisch beschreiben, kritisieren, Anm. d. Red.) ich das so: „Den Kampf für die tierische Wurst, den führen nur Hanswursten!“. Auf der gleichen Veranstaltung probierte ich übrigens erstmals eine vegane Currywurst und war echt überrascht, wie gut die schmeckte. Es geht doch darum, den Menschen bewusst zu machen, welche negativen Folgen die Massentierhaltung auf unsere Umwelt, auf unser Klima hat. Täglich wird eine Regenwaldfläche in der Größe von München abgeholzt. Wenn wir hier keine Veränderungen einleiten, gibt es in 50 bis 60 Jahren keinen Regenwald mehr, dann fehlt die grüne Lunge dieses Planeten. Das ist doch ein gravierendes Problem?!

Und dieses Problem wird sich sicher auch im Programm der V-Partei³ wiederfinden, oder? Was ist Ihr oberstes Ziel?

Roland Wegner: Unsere Partei will eine Politik erreichen, in der Menschen als Verbraucher geschützt und Tiere geachtet werden, Klima und Natur gerettet und die Ursachen von Hunger, Krieg und Flucht auf der Welt minimiert werden.

Auch Fleischesser haben doch sicherlich solche Ziele. Warum dann eine Partei für Veganer und Vegetarier – und nicht etwa für „Klima, Naturschutz und Verbraucher“?

Roland Wegner: Circa zehn Millionen Menschen ernähren sich in Deutschland ohne Fleisch und es werden immer mehr. Selbstverständlich ist dies unsere Hauptzielgruppe.

Bundesvorsitzender Roland Wegner

Also wollen Sie Fleischesser nicht ansprechen?

Roland Wegner: Doch. Wir bekommen auch großen Zuspruch in unserem Umfeld von noch nicht vegetarischen oder veganen Menschen, die unsere politischen Forderungen trotzdem respektieren und unterstützen. Die Umsetzung der wichtigsten Themen der V-Partei³ sorgen für ein besseres Klima, besseres Wasser, gesünderes Essen und mehr Frieden auf der Welt. Weshalb sollten Fleischesser das nicht unterstützen?

Diese Ziele klingen wie die der Grünen in den 1980er-Jahren…

Roland Wegner: Stimmt. Uns geht es aber um Inhalte und nicht um Dienstwagen. Das war bei den Grünen der 80iger auch mal so, die damals gegen Krieg und Atom protestierten. Das damalige Grün ist abgeblättert, es kommt immer mehr Anthrazit zum Vorschein. Bei uns ist auch die Grundierung grün, daher wechseln gerade einige Grüngebliebene zur V-Partei³.

In einem anderen Interview haben Sie einmal zum Vergleich mit der Tierschutzpartei gesagt, dass Ihre Partei “im Hinblick auf die Beendigung der Tierausbeutung” konsequenter und mutiger sei und den “Kompromiss nicht schon im Programm stehen” habe. Wie ist das gemeint?

Roland Wegner: Wir haben ein rein veganes und somit konsequentes Parteiprogramm. Wenn das 50,1 Prozent der Wähler unterstützen, gibt es sehr bald keine Schlachthäuser mehr in Deutschland. Das Programm der Tierschutzpartei klingt mutlos und erinnert an Anton Hofreiter (Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, Anm. d. Red.), der auch gerne nur noch in ein Steak beißen will, das vorher als Tier totgestreichelt wurde. Wer als Tierschutzpartei die Tiere nicht vor dem Töten schützen will, führt diesen Namen zu unrecht und braucht sich nicht zu wundern, wenn die eigentliche Zielgruppe kaum erreicht wird.

Keine Schlachthäuser mehr: Also würden Sie das Fleischessen verbieten?

Roland Wegner: Nein, unser Ansatz ist moderner. Wir wollen jeden da abholen, wo er sich aktuell befindet. Wir wollen die Menschen informieren, sensibilisieren und zum Nachdenken anregen. Auch wollen wir auf Missstände in der Tierhaltung hinweisen und Lösungen präsentieren, so dass jeder selbst entdecken kann, wie gesund und schmackhaft eine komplett tierfreie, pflanzenbasierte Vollwerternährung ist.

Aber zwingen können Sie niemanden, Veganer zu werden. Ich frage mich, wie Sie beispielsweise jene Kasseler vom Fleischverzicht überzeugen wollen, die eine Petition gegen ein Bratwurstverbot initiiert haben. Klingt fast utopisch.

Roland Wegner: Wir wollen unseren Beitrag dafür leisten, die Menschen in ihrem Bewusstsein zu erreichen. Die andere Komponente ist die staatliche Lenkungsfunktion. Natürlich gibt es bei Veränderungen erstmal einen Aufschrei. Aber wenn man dann beim Straßenfest pflanzliche Produkte probiert und die auch schmecken, werden Interesse und Akzeptanz steigen.

Die riesige Fleischindustrie abzubauen, dürfte auch nicht einfach werden. Wie wollen Sie das machen? Immerhin hängen auch Arbeitsplätze daran.

Roland Wegner: Die Bevölkerung benötigt ja weiterhin Nahrungsmittel. Es wird also nicht weniger Arbeitsplätze geben, sondern andere, wie wir in unserer Agraragenda 2030 aufzeigen.

Parallel zum Abbau der Fleischindustrie müsste die Produktion der pflanzlichen Produkte stark erhöht werden, um alle Neu-Veganer ernähren zu können, wie könnte das funktionieren?

Roland Wegner: Diese Aussage ist nicht ganz korrekt. Für ein Kilogramm Fleisch müssen je nach Tierart vier bis 16 Kilogramm pflanzliche Nahrungsmittel erzeugt werden. Ohne Fleischproduktion können diese Nahrungsmittel direkt für die Menschen eingesetzt werden. Auch und gerade angesichts der weltweiten Hungerproblematik könnte man hierdurch also entscheidende Verbesserungen erzielen, was wichtiger denn je ist.

Das erste V im Namen Ihrer Partei steht für Veränderung. Welche meinen Sie?

Roland Wegner: Die größte notwendige Veränderung kommt mit unserer Agraragenda 2030 zum Ausdruck, eben der Ausstieg aus der Tierprodukt-Industrie mit den positiven Folgen, den Restbestand des Regenwaldes zu erhalten, den Klimawandel zu stoppen, das Wasser nicht weiter mit Nitrat zu belasten, die Gesundheit der Menschen zu verbessern, Fluchtursachen zu mindern und natürlich das Leid der Tiere zu beenden.

Was würde Ihre Partei als erstes umsetzen, wenn sie ab morgen die absolute Mehrheit im Bundestag hätte?

Roland Wegner: Als erstes würden wir einen Änderungsvorschlag des Tierschutzgesetzes einbringen und gleichzeitig Förderprogramme pflanzlicher und biologischer Lebensmittel und überzeugender Alternativen zu Tierprodukten voranbringen. Falls finanzierbar, würden wir uns aber auch sehr schnell für das gerechte Grundeinkommen einsetzen und darüber hinaus Stromnebenkosten und Rundfunkbeitrag gerechter gestalten und die belastende Zeitumstellung abschaffen.

Um für die Bundestagswahl zugelassen zu werden, müssen sie in einzelnen Bundesländern Unterschriften sammeln – die Anzahl orientiert sich an der Einwohnerzahl. Wie weit sind sie?

Roland Wegner: Es läuft gut an, wir sammeln derzeit in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Thüringen und haben überall schon zwischen zehn und 20 Prozent zusammen, am meisten in Hessen. Unsere Partei wird es sicher auf die Stimmzettel zur Bundestagswahl schaffen. Die Frage ist nur, in wie viel Bundesländern, und da hoffe ich auf möglichst alle 16. Zeit haben wir für die erste große Hürde bis Anfang Juli 2017.

Zur Person:

Privat Roland Wegner ist 41 und lebt mit seiner Familie im Landkreis Augsburg
Position in der Partei Bundesvorsitzender
Beruflich Der Diplom-Verwaltungswirt arbeitet als Geschäftsleitender Beamter (Leiter Hauptamt, Kämmerei und Personalamt) in der Gemeindeverwaltung von Gablingen im Landkreis Augsburg
Politisch In der SPD war Wegner drei Jahre als Vorstandsmitglied des Ortsvereins Jakobervorstadt Augsburg aktiv.
Ernährung Vor etwa zehn Jahren stellte er – etwa zeitgleich mit dem sportlichen Experiment des Rückwärtslaufens – seine Ernährung zunächst auf ovo-lacto-vegetarisch um, das heißt, er verzichtete auf tote Tiere, aber nicht auf deren Produkte wie Milch und Eier, dann allmählich auf rein pflanzlich, also vegan.
Sportlich Er ist seit 2007 Rekordhalter im Rückwärtslaufen auf 100 Meter. Dafür benötigte er 13,6 Sekunden. Zum Vergleich: Für 100 Meter Vorwärts liegt der Rekord bei 9,58 Sekunden – aufgestellt von Usain Bolt 2009.

Parteiprogramm – Zehn Kategorien

Das Programm der Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer besteht aus zehn Kategorien. Hier Auszüge:

1. Volk, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

  • Hier fordert die Partei unter anderem, durch Volksbegehren den Wünschen der Bevölkerung gerechter zu werden.

2. Ressourcen, Energie und Atom

  • Forderung: Ende der Atomkraft, Reduzierung von Kohlekraft und Biogasanlagen und Förderung regenerativer Energieressourcen.

3. Finanzen, Steuerpolitik und Subventionen

  • Mehrwertsteuer: „Derzeit werden Veganer und Vegetarier als Verbraucher diskriminiert. So muss für Pflanzendrinks eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent bezahlt werden, Kuhmilch dagegen wird mit einer Mehrwertsteuer von 7 Prozent belegt.“ Das müsse geändert werden.
  • Hundesteuer: Statt „tierunabhängige Kostenstellen“ damit zu finanzieren, solle das Geld daraus für Hunde verwendet werden, die aus Tierheimen kommen oder über Tierschutzorganisationen gerettet wurden.

4. Landwirtschaft, Natur und Gentechnik

  • Agraragenda 2030: „Unsere Vorstellung ist – als neue gesetzliche Regelung – das Verbot aller Tierschlachtungen, die in Verbindung mit der Produktion von Nahrungsmitteln, Kosmetik, Kleidung und Gebrauchsgegenständen stehen.“ Dieses Ziel soll bis 2030 erreicht werden.
  • Jagdgesetze: „Die V-Partei³ fordert die Novellierung der Jagdgesetze und Reökologisierung von Wald und Flur. Das Hobby Jagd ist abzuschaffen.“ Wissenschaftliche Studien belegten, dass es für die Wildtierjagd keinen vernünftigen Grund gebe.

5. Globale Chancen für alle

  • Vermeiden von Gentechnik: Sie werde derzeit ausschließlich für die Produktion von Tierfutter, Baumwolle und Energie genutzt. Da der Verkauf dieser Produkte Geld bringe, würden in Entwicklungsländern stattdessen weniger Lebensmittel für den heimischen Markt angebaut. Außerdem machten sich Landwirte, wenn sie auf Gentechnikpflanzen setzten, abhängig von deren Erzeugern, die Patente auf die Gentechnik hätten. So dürften Landwirte ihre Ernte nur dann wieder zur Aussaat nutzen, wenn sie abermals die Lizenz dafür zahlten.
  • Hinterfragen des EU-Rechts: Die V-Partei³ nennt ein Beispiel: Wenn eine öffentliche Einrichtung EU-weit die Belieferung mit Lebensmitteln ausschreibe und dabei regionales Gemüse fordere, gelte das laut EU-Vergaberecht als diskriminierend. Wegen solcher Regeln „müssen sinnvolle und umsetzbare politische Reaktionsmöglichkeiten überlegt werden“.

6. Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz

  • Essen in öffentlichen Einrichtungen: Es müsse in öffentlichen Einrichtungen wie Kantinen, Altenheimen und Schulen täglich ein pflanzliches Verpflegungsangebot geben, zudem müsse Bio-Qualität Standard sein.

– Abschaffung der Zeitumstellung: Sie schade Körper und Psyche.

7. Schulische und berufliche Bildung

  • Schule: Bestandteil des Unterrichts müsse sein, über den Zusammenhang zwischen pflanzlicher Ernährung und dem damit verbundenen Gesundheits-, Umwelt und Klimaschutz aufzuklären. Themen wie Ernährung, Tier- und Umweltschutz müssten in den Lehrplan aufgenommen werden.
  • Kochausbildung: Wer die Prüfung zum Koch bestehen wolle, müsse hauptsächlich tierische Produkte zubereiten. Das sei diskriminierend gegenüber Veganern. Deshalb fordert die Partei eine klassische dreijährige Kochausbildung, in der ausschließlich pflanzliche Produkte verwendet werden.

8. Mobilität, Verkehr

  • Kostenloser öffentlicher Nahverkehr sei „unterstützungswürdig“.
  • Der Staat müsse den Kauf von E-Autos finanziell unterstützen – beispielsweise über Sonderabschreibungen für gewerblich genutzt Fahrzeuge und Neukaufprämien.

9. Tierversuche in Medizin und Forschung

  • Die Partei fordert, dass Tierversuche abgeschafft werden. „95 Prozent der im Tierversuch als wirksam und ungefährlich geltenden Medikamente fallen im Anschluss durch die klinischen Studien, keine Wissenschaft hat eine schlechtere Erfolgsquote zu verzeichnen.“ Viele Wirkungen könnten an Tieren nicht nachgewiesen werden, da Stoffwechsel und biochemische Reaktionen nicht vergleichbar seien mit denen von Menschen. Stattdessen sollten menschliche Simulationsmodelle genutzt werden, die bereits in einigen Ländern im Einsatz seien.

10. Wirtschafts- und Außenpolitik

  • Entwicklung statt Wachstum: Damit die Erde nicht weiter ausgebeutet wird, fordert die Partei eine nachhaltige statt ständig wachsende Wirtschaft. Sie müsse im Einklang mit der Natur stehen, stabil und sozial sein.
  • Gerechtes Grundeinkommen: Damit würde das „sehr kostenintensive staatliche Arbeitsvermittlungs-, Arbeitslosenversorgungs- und Umschulungssystem“ unnötig werden. Mit einem Pilotprojekt müsse getestet werden, ob ein Grundeinkommen in Deutschland möglich sei.
  • Außenpolitik: Rüstungsexporte müssten verboten werden. „Wer Waffen sät, wird Krieg und Flüchtlinge ernten.“ Die Partei fordert, Konflikte im Ausland ohne militärischen Einsatz zu lösen.

Autor: Andreas Berger