Das Weltveganmagazin interviewte Europawahl-Spitzenkandidat Simon Klopstock und den Bundesvorsitzenden Roland Wegner von der veganen V-Partei³.
Am 09. Juni 2024 findet die Europawahl statt. Erstmals dabei sein wird auch die V-Partei³. Welche Chancen sie sich dabei ausrechnet und welche Themen sonst gerade in der Veganpartei eine Rolle spielen, erzählen uns der Spitzenkandidat Simon Klopstock und der Bundesvorsitzende Roland Wegner.
WVM: Es ist das erste Mal, dass die V-Partei³ an einer Europawahl teilnehmen wird, was unterscheidet diese Wahl von allen, an denen ihr bisher teilgenommen habt?
Roland Wegner: “Einfach die Tatsache, dass wir bisher noch nicht zu einer Europawahl angetreten sind, macht sie besonders. Wir wurden im Jahr 2019 auf Grund einer Formalie nicht zugelassen und waren damals schon sehr enttäuscht. Dass wir uns davon nicht unterkriegen ließen und dieses Mal alle Formalien erfüllen, zeigt unser Potential und unsere Stärke. Erstmals werden wir auf jedem Stimmzettel in Deutschland stehen.“
Simon Klopstock: „Im Gegensatz zu anderen Wahlen auf Bundes- und Landesebene gibt es bei dieser Wahl keine 5% Hürde und zum ersten Mal darf ab einem Alter von 16 Jahren gewählt werden. Das gibt uns sehr gute Chancen, Sitze im Parlament zu bekommen. Das motiviert natürlich zusätzlich.“
WVM: Welche Herausforderungen musstet ihr für diese Wahlteilnahme meistern?
Simon Klopstock: „Rein formal mussten wir auf einem Bundesparteitag eine Kandidatenliste aufstellen und für unseren Wahlvorschlag insgesamt 4000 Unterstützungsunterschriften von wahlberechtigten Personen sammeln und diese von den Gemeindebehörden bestätigen lassen. Das war ein großer logistischer Aufwand, den übrigens nur noch nicht etablierte Parteien betreiben müssen. Zusammen mit Wahlvorschlag, Satzung, Programm und diverser eidesstattlicher Versicherungen haben wir die Unterschriften dann bei der Bundeswahlleiterin in Wiesbaden abgegeben.“
Roland Wegner: „Jeder, der sich im Ehrenamt engagiert, kann sich vorstellen, dass es nicht immer ganz so einfach ist, neben Job, Familie und anderen Themen Termine und formale Vorgaben zu erfüllen. Umso positiver ist, dass wir zur Europawahl auch zeitlich gesehen gut vorbereitet sind.“
WVM: Warum braucht Brüssel gerade jetzt die Vertretung durch eine rein vegan ausgerichtete Partei?
Simon Klopstock: „Die EU ist das zentrale Regelungsorgan für die Landwirtschafts- und Fischereipolitik. Und wie man an den aktuellen Regelungen sieht, braucht es dringend vegane Stimmen, die sich für Tierrechte, bio-vegane Landwirtschaft und die Förderung alternativer Proteine einsetzen. Zudem wird die Biodiversitätskrise immer noch unterschätzt und lässt sich ohne eine Agrarwende nicht lösen und auch die Eindämmung der Klimakrise kann ohne Ernährungsumschwung nicht gelingen. Diese Themen müssen immer wieder auf die Tagesordnung und dafür brauchen wir die V-Partei³.“
Roland Wegner: „Ich sehe das ja durch meinen Sitz im Stadtrat Augsburg. Da haben wir zwar nur eine einzige Stimme. Das wird gerne unterschätzt, ist aber sehr wichtig. Ist man in einem Gremium drin, können Themen per Antrag oder Wortmeldung eingebracht werden, die anderen Parteien nicht wichtig genug sind. Auch die Medien reagieren und publizieren unsere Meinungen und Vorschläge stärker, was ohne parlamentarische Entfaltung viel schwieriger ist. Wir sind ja in einem Entwicklungsstadium, wo diese Möglichkeiten sehr bedeutsam sind, um Einfluss auch auf andere Parteien nehmen zu können. Und unsere Themen in Sachen zukunftsorientierter Landwirtschaft ohne Ausbeutung der Tiere sind notwendiger denn je.“
WVM: Wie sieht euer Wahlkampf aktuell aus?
Simon Klopstock: „Als Spitzenkandidat habe ich mir ein halbes Jahr frei genommen und bin mit dem ICE quer durch Deutschland unterwegs. Ich besuche Demonstrationen, Veranstaltungen und aktiviere Mitglieder vor Ort. Zusätzlich spielt natürlich Social-Media immer und überall eine große Rolle.“
Roland Wegner: „Unsere Abende sind im Prinzip fast täglich ausgebucht. Das Organisationsteam hat vielfältige Aufgaben, die regelmäßiger Absprachen bedürfen. Gerade sind wir z. B. im Austausch mit dem Redaktionsteam unseres TV-Werbespots. Da haben wir zwar absolute Profis für uns gewinnen können, trotzdem müssen wir natürlich die inhaltlichen Aspekte beisteuern.“
WVM: Welche Unterstützung benötigt Ihr, um an Ende ins Europaparlament einzuziehen?
Simon Klopstock: „Für einen Sitz benötigt es abhängig von der Wahlbeteiligung circa 250.000 Stimmen, was in etwa 0,5 % aller Stimmen sind. Dafür braucht es Bekanntheit. Diese steigert man mit aktiven Menschen vor Ort. Also brauchen wir in jeder Ecke der Republik Leute, die sich mit uns engagieren.“
Roland Wegner: „Die notwendige Werbung kostet natürlich Geld. Dafür stehen uns Mitgliedsbeiträge und Spenden zu Verfügung. Hier hoffen wir auf eine große Unterstützung. Ein Wahlplakat (auf Karton) kostet mittlerweile 5 Euro. Plakate aus Plastik wären günstiger, aber da würden wir in Sachen Nachhaltigkeit unserem Parteiprogramm widersprechen. Klar würden wir am liebsten ganz auf Plakate verzichten, aber da die anderen Parteien dies auch nicht tun, müssen wir leider auch damit Präsenz zeigen. Wer uns dabei helfen möchte, kann uns im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas spenden. Spenden an politische Parteien sind übrigens privilegiert, das Finanzamt gibt den Spendenden wieder 50 % zurück, wenn sie steuerpflichtig sind.“
WVM: Was sind eure Highlights der nächsten Wochen?
Simon Klopstock: „Für mich stehen noch zwei spannende Messen in Leipzig und Hannover an und dann geht es schon in den Endspurt für die Wahl. Ich freue mich auf viele spannende Gespräche und den politischen Schlagabtausch.“
Roland Wegner: „Ich warte auf eine Einladung von Markus Lanz. Immer mehr Menschen ernähren sich fleischfrei. Da wird’s Zeit, dass auch mal ein Vertreter der Veggiepartei eingeladen wird. Bis dahin bin ich natürlich auch voll im Wahlkampf eingebunden und helfe, wo ich kann.“
WVM: Roland, du hast die Partei 2016 aus der Taufe gehoben, wie hat sich deine Wahrnehmung auf die Gesellschaft seither verändert?
Roland Wegner: „Ich war ja schon vorher in der SPD aktiv und führe seit jeher viele Gespräche auf der Straße. Politische Themen unterliegen allerdings einem schnellen Wandel und was gestern noch wichtig war, zählt morgen manchmal nicht mehr. Unser Programm von 2016 wurde zwar schon einige Male angepasst, die Kernthemen aus 2016 sind jedoch in 2024 wichtiger denn je.“
WVM: Simon, du bist mit 26 Jahren der Vertreter einer neuen Generation, wie willst du speziell junge Wähler für Politik interessieren?
Simon Klopstock: „Ich möchte zeigen, dass man in jedem Alter politisch aktiv sein und etwas bewegen kann. Junge Menschen sind kaum repräsentiert und haben zu wenig Einfluss, das will ich ändern. Besonders wichtig ist mir, dass meine Generation versteht, dass wir mit Entscheidungen der aktuellen Politik noch 60, 70 oder 80 Jahre werden leben müssen, also müssen wir an diesen Entscheidungen auch aktiv mitwirken!“
WVM: Warum sollte man gerade jetzt die V-Partei³ wählen?
Simon Klopstock: „Die „vegane Welle“ ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und nur wir bieten eine Vertretung für diese Bewegung und die damit verbundenen, zukunftsorientierten Lösungen!“
Roland Wegner: „Es wäre ein starkes Signal an alle anderen Parteien, dass die Themen Ernährung, Gesundheit und Tierrechte den Leuten wichtig sind. Erst wenn eine vegane Partei viele Stimmen erhält, werden auch die anderen Parteien sich dieser Inhalte annehmen. Man sieht ja an den Grünen, wie unwichtig ihnen der Bereich ist. Die subventionieren lieber neue Schweineställe statt neue Gewächshäuser.“
WVM: Welche Bereiche stehen in eurem Fokus und warum genau diese?
Simon Klopstock: „Für mich sind es neben den Tierrechten die alternativen Proteine, also tierische Produkte, die aus Zellkulturen oder pflanzlichen Grundlagen hergestellt werden. Diese bieten das Potential, auch all diejenigen Menschen zu erreichen, die ihre Ernährung nicht umstellen wollen, aber dann das günstigere, gesündere und klimafreundlichere Produkt wählen können.“
Roland Wegner: „Vieles hängt ja miteinander zusammen, was leider noch nicht allen Politikern klar zu sein scheint. Besteht für die Menschen bezahlbarer Zugang zu gesundem, pflanzlich vollwertigen Essen in Bioqualität, sinkt das Risiko der Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs. Das senkt die Kosten auf dem Gesundheitssektor und stärkt die Wirtschaft. Nebenbei ist es auch ein Erfolgsfaktor beim Umweltschutz.“
WVM: Ihr habt „Veränderung“ im Parteinamen, wo seht ihr den größten Bedarf, genau diese anzustoßen?
Simon Klopstock: „Ganz klar in der Landwirtschaftspolitik. Die Landwirtschaft befindet sich in dem Paradox, dass sie einerseits sehr stark von der Klimakrise betroffen ist, aber auf der anderen Seite einen hohen Anteil an Emissionen und dem Abbau von Lebensräumen trägt. Mit dieser Verantwortung werden die Landwirt:innen politisch alleingelassen. Sie brauchen dringend mehr Unterstützung in Form von Umstiegsprogrammen aus der Tierhaltung, Förderung für bio-vegane Landwirtschaft und Renaturierungsmaßnahmen. Landwirtschaft und Klimaschutz schließen sich nicht aus, mit einer richtigen Agrarwende kann die Nahrungsmittelproduktion sogar klimapositiv werden.“
Roland Wegner: „Neben den klaren Inhalten geht’s mir auch um Zusammenhalt. Wir könnten in Sachen gesellschaftliche Veränderung viel schneller und effektiver sein, wenn die verschiedenen Organisationen, Vereine, Verbände und Aktivisten aus dem Bereich der Tierrechte besser zusammenarbeiten würden. Lasst uns stärker die Gemeinsamkeiten suchen, weniger die Unterschiede, die natürlich auch immer vorhanden sind.“
WVM: Wie werden wir Glyphosat endlich los?
Simon Klopstock: Durch klare Bekenntnisse zur Wissenschaft und der Akzeptanz, dass die Risiken höher sind als der Nutzen. Daran müssen wir alle immer wieder erinnern und dann wird es zu einem Verbot kommen.
Roland Wegner: „BIO FÜR ALLE geht nur mit einem Ausstieg aus der Tierproduktionsindustrie. Eine Landwirtschaft ohne Glyphosat (und andere Pestizide) braucht bekanntlich mehr landwirtschaftliche Flächen. Dafür braucht es die Flächen, die jetzt für den Anbau von Tierfutter belegt sind, was höchst ineffizient ist. Hier hat die EU-Politik den entscheidenden Hebel. Sie muss endlich aufhören, die Tierausbeutung zu subventionieren und kann dann den biologischen Anbau (für Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Obst) stärker finanziell unterstützen. Das senkt dann auch die Preise für die Käufer.“
WVM: Wie kann die Transformation zu einer veganen Gesellschaft gelingen?
Simon Klopstock: „Aus meiner Sicht nur über alternative Proteine. Diese werden tierische Produkte schlicht überflüssig machen und dann wird man sich fragen, warum man Tiere überhaupt noch einsperren sollte, sei es in Zirkussen oder Tiergärten oder sonst wo. Wenn das zum Konsens wird, ist die vegane Gesellschaft nicht mehr weit und meine Enkelkinder werden mich ungläubig anschauen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich schonmal tote Tiere gegessen habe“.
Roland Wegner: „Es sind nur ganz wenige Faktoren maßgeblich: Information und Bildung, Moral und Werte, Angebot und Preis. Alles Themen mit großer politischer Lenkungswirkung“.
WVM: Veganismus wird oft als Multiproblemlöser deklariert, wie steht ihr dazu?
Simon Klopstock: „Ich würde dem zustimmen, da die meisten unserer Probleme in Sachen Biodiversitäts- und Klimakatastrophe zu großen Teilen auf die Produktion tierischer Lebensmittel zurückzuführen sind. Sprich, wenn die bio-vegane Landwirtschaft, die viel weniger Landfläche benötigt als die Tierzucht, zum Standard wird, haben wir Platz für Renaturierung und die Natur kann sich erholen. Auch ethisch gesehen kann man argumentieren, dass der Umgang unter Menschen besser wird, wenn mehr Menschen die Werte des Veganismus verinnerlichen.“
Roland Wegner: „Lasst es uns ausprobieren. Ab jetzt alle, auch Markus Söder und Hubert Aiwanger vegan und dann schauen wir, was sonst noch so passiert“.
WVM: Abschließende Frage, was schätzt ihr am jeweils anderen?
Simon Klopstock: „Das ist leicht! Ich schätze seinen enormen Einsatz gepaart mit unfassbarer Ausdauer, sowohl politisch als auch sportlich. Diese Energie ist inspirierend und ohne die Gründung der V-Partei³ hätte ich auch nicht für sie kandidieren können.“
Roland Wegner: „Simon ist äußerst zuverlässig, gewissenhaft und ehrlich. Ich schätze den Austausch mit ihm, er strahlt auch in stressigen Situationen die notwendige Ruhe aus. Solche Leute braucht es in der Politik!“
WVM: Vielen Dank und für die Europawahl größtmöglichen Erfolg!