Offener Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz

Betreff: Sicherung der Chancengleichheit bei einer möglichen vorgezogenen Bundestagswahl

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

als Vorsitzender der V-Partei³ appelliere ich an Sie als wichtiger Repräsentant einer Partei, die das Wort „Demokratie“ im Namen trägt, sich für eine gerechte und demokratische Durchführung der nächsten Bundestagswahl einzusetzen.

Gerade durch das verantwortungslose und skrupellose Handeln der FDP ist nämlich genau diese in Gefahr. Der „FDP-D-Day“ dürfte die Strategie als Grundlage haben, bei vorgezogenen Neuwahlen die Zahl der kleinen Parteien zu reduzieren, um vom Stimmpotential der „Sonstigen“ (laut Umfragen 7-11 Prozent) möglicherweise zu profitieren, da kleine Parteien in Rekordzeit in jedem Bundesland eine große Anzahl von Unterstützungsunterschriften sammeln müssen und die erforderliche Zahl aus Zeitgründen überwiegend nicht schaffen werden. Die kleine FDP (Landtagswahl Brandenburg 2024: 0,83 Prozent) ist vom Unterschriftensammeln befreit und dürfte damit ganz gezielt auf zusätzliche Stimmen spekulieren, die sonst auf andere kleine Parteien fallen würden.

Ich möchte für Ihre anstehenden Handlungen die Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen und Benachteiligungen lenken, denen kleinere Parteien bei vorgezogenen Neuwahlen begegnen.

Sollte tatsächlich der Wahltermin auf den 23. Februar 2025 festgelegt werden, käme es z. B. auch zur Situation, dass Bundestagsparteien sechs Wochen vorher, also bereits ab dem 12. Januar 2025 (in einigen Kommunen wie Regensburg schon JETZT) Wahlwerbung auf den Straßen betreiben können, und sie damit faktisch begünstigt.

Kleine Parteien müssen in kürzester Zeit tausende Datensätze sammeln. Die FDP ist davon befreit.

Nämlich ganz klar den kleinen Parteien gegenüber, die für ihre Wahlzulassung pro Bundesland eine erhebliche Zahl von Unterstützungsunterschriften sammeln müssen, was eh schon eine Ungleichbehandlung mindestens dann ist, wenn diese Parteien schon bei den letzten Wahlen dabei waren und über die erhaltenen Stimmen inhaltlich bewiesen haben, dass sie im Demokratieprozess relevant und wichtig sind, wenngleich die 5-%-Hürde für die meisten Kleinparteien noch zu hoch ist. Kleine Parteien können also erst nach der Zulassung durch die Landeswahlausschüsse mit der Werbung starten, was bei der vorgezogenen Bundestagswahl sehr wahrscheinlich später als die angeführten sechs Wochen sein wird. Plakatfirmen wollen jedoch bereits jetzt Bestellungen der Parteien, um fristgerecht produzieren und liefern zu können.

Bereits jetzt können die etablierten Parteien ihre Wahlkampagnen starten, während kleine Parteien erst um ihre grundlegende Zulassung kämpfen müssen. Diese Praxis widerspricht dem Grundsatz der Chancengleichheit, den die öffentliche Hand gemäß § 5 des Parteiengesetzes gewährleisten soll.

Besonders kritisch ist, dass die für diese Situation mitverantwortliche FDP von diesen Strukturen profitieren könnte. Eine solche Ungleichbehandlung gefährdet die Meinungsvielfalt und reduziert das Parteienspektrum – ein Verlust, der unsere Demokratie nachhaltig schwächen würde.

Nachdem die Skrupellosigkeit der FDP enttarnt wurde, appelliere ich an Sie, die Vertrauensfrage entgegen bisheriger Aussagen nicht in diesem Jahr zu stellen, um auch kleineren Parteien ausreichend Zeit zur Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen zu geben.

Ein vorgezogener Wahltermin, der auf einem Bruch der Koalition aus rein wahltaktischen Überlegungen basiert, schadet nicht nur den demokratischen Werten, sondern auch der Stabilität des politischen Systems.

Ich bitte Sie eindringlich, die Anliegen kleiner Parteien zu berücksichtigen und idealerweise den regulären Wahltermin im September 2025 beizubehalten. Eine mögliche Minderheitsregierung ist – wie das Beispiel Sachsen zeigt – ein gangbarer Weg, um den politischen Betrieb auch in schwierigen Zeiten aufrechtzuerhalten.

Eine solche Entscheidung würde nicht nur den Prinzipien des Gemeinwohls und der Gerechtigkeit entsprechen, sondern auch zeigen, dass parteitaktische Erwägungen nicht über den demokratischen Grundwerten stehen. Machen Sie sich bitte nicht zum Wahlkampfhelfer der FDP, sondern übernehmen Sie in dieser schwierigen Zeit Verantwortung für unser Land und für die Demokratie.

Sollten Sie jedoch am Wahlsprint (Vertrauensfrage im Dezember 2024, Neuwahl im Februar 2025) festhalten wollen, sollten die Hürden für kleine Parteien bei der Festlegung der Zahl der Unterstützungsunterschriften wenigstens wie bei der letzten Bundestagswahl 2021 reduziert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Wegner
Vorsitzender der V-Partei³

Bundesvorsitzender Roland Wegner