Die V-Partei³ wendet sich mit einem offenen Brief an die politischen Fraktionen und Gruppierungen im Deutschen Bundestag (SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP, CDU/CSU, Linke, SSW, BSW) und an den Bundespräsidenten und erklärt, weshalb die Abschaffung der 5%-Hürde nicht nur eine Chance für die Demokratie, sondern ein echter Problemlöser sein kann.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wenden uns mit einem sehr wichtigen Thema an Sie, damit ihrerseits die entsprechenden Veränderungen veranlasst werden können, von denen das politische Deutschland insgesamt profitieren wird. Die aktuellen Wahlumfragen lassen befürchten, dass es beim herkömmlichen Wahlsystem immer schwieriger wird, inhaltlich funktionierende Mehrheitskoalitionen zu bilden, sogar die sogenannte „Große Koalition“ wäre aktuell wohl nicht möglich. Vor allem die hohen Werte für die Protestpartei AfD führen zu dieser mathematischen Problemstellung. Dazu kommen weitere Probleme wie die Wahlrechtsreform.
Diese „Zwangskoalitionen“ führen leider zu noch mehr Politikverdrossenheit und Protest, zum Schaden der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Wie kann man auf die geänderte Situation sinnvoll politisch reagieren?
Wir sehen in der 5-Prozent-Hürde eine der aktuellen Problemursachen, und regen daher die Abschaffung oder eine deutliche Absenkung an.
Es ist davon auszugehen, dass dies ganz akut auch im Sinne von CSU, Linke oder FDP wäre, die allesamt bei der nächsten Bundestagswahl an den 5 Prozent scheitern könnten. So könnte es sogar wahrscheinlich werden, dass über 20 Prozent der Stimmen bei der nächsten Bundestagswahl „verloren“ gehen. Was somit die AfD noch extra stärken würde, was man ja eigentlich gerade verhindern wollte. Das Argument des verfälschten Wählerwillens ist zwar nicht völlig neu, verstärkt sich aber durch die aktuelle Situation der veränderten politischen Landschaft massiv, was Ihnen allen sicher bewusst ist.
Die Fünf-Prozent-Klausel des § 4 Abs. 2 Bundeswahlgesetz ist nicht verfassungsrechtlich vorgegeben, sondern lediglich ein einfaches Gesetz, das der Bundestag daher mit einfacher Mehrheit ändern kann und nun auch sollte, was damit auch dem Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien (Art. 21 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Grundgesetz) gerecht werden würde.
Die Fünf-Prozent-„Aussperrklausel“ wurde vom Bundesverfassungsgericht bei veränderten Verhältnissen für verhandelbar erklärt.
Hier sollten Sie die veränderten Verhältnisse der Gesellschaft und ihrer eigenen aktuellen Regeln („Wahlrechtsreform“) anerkennen und verantwortungsvoll reagieren. Der vermeintlich legitime Zweck von Wahlrechtsquoren, die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes und der Regierung zu sichern, könnte für die Wahl des Deutschen Bundestages auch eine 1-Prozent-Klausel erfüllen, wenngleich die Abstinenz einer Prozenthürde zum Beispiel auf kommunaler Ebene kein Problem für die Arbeitsfähigkeit darstellt, sondern gerade deswegen demokratisch stärker akzeptiert wird, was die regelmäßig höheren Wahlbeteiligungen belegen. Gerade der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) ist ein weiteres Beispiel. 55.330 Stimmen reichten der regionalen Minderheit bei der letzten Bundestagswahl (Ausnahmetatbestand in § 4 Abs. 2 Satz 3 Bundeswahlgesetz) für einen Sitz im Deutschen Bundestag, wodurch das politische Gefüge nicht gestört wurde. Dem dürften Sie sicher auch zustimmen.
Wenn der Gesetzgeber bereits geografische Minderheiten fördert, sollten schon allein deswegen auch gesellschaftliche Minderheiten wie etwa vegan lebende Menschen dem gleichgestellt werden. Wir wären dann künftig wohl auch mit einem Sitz im Bundestag vertreten und das wäre für die Demokratie ein Vorteil.
Eine deutliche Reduzierung oder Abschaffung der verfassungsrechtlich bedenklichen Sperrklausel sorgt für mehr Wahlgerechtigkeit, mehr Chancengleichheit, mehr Regierungsoptionen, wirkt dem Wählerverdruss entgegen und stärkt letztendlich die parlamentarische Demokratie.
Und schließlich dürfte die Reduzierung oder Abschaffung der 5%-Klausel auch ein Schlüssel zur Lösung in der aktuellen Problematik der Wahlrechtsreform („Wegfall der Grundmandatsklausel“) zur Reduzierung des Deutschen Bundestages sein. Auch hier sind die „veränderten Verhältnisse“ erkennbar, die für das Bundesverfassungsgericht bei der Frage zur Sperrklausel relevant sein dürften.
Wie Sie aktuellen Umfragen entnehmen können, könnte eine AfD zum Beispiel nach der nächsten Landtagswahl etwa in Sachsen die Sitzmehrheit erlangen, wenn die potentiellen Koalitionspartner SPD, Grüne, Linke oder FDP an der 5-Prozent-Klausel scheitern, was immer realistischer wird. Somit würde die Aussperrklausel ihrem Namen gerecht und die Stabilität der parlamentarischen Mehrheiten konterkarieren, für dessen Schutz sie einmal gedacht war. Die Abschaffung der 5-Prozent-Klausel sollte daher auch auf Länderebene noch vor den anstehenden Wahlen erfolgen.
Neue politische Gegebenheiten erfordern neues politisches Denken und mutige Veränderungen, worum ich alle Demokraten herzlich bitte!
Mit bestem Dank für eine unvoreingenommene Prüfung unseres Vorschlages
und freundlichen Grüßen
Roland Wegner
Bundesvorsitzender der V-Partei³ und Mitglied des Augsburger Stadtrats
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