Was hält die Werbung vom regionalen Bauernhof?
Ein Tierqualskandal nach dem anderen sorgt regelmäßig für Verunsicherungen bei den Verbrauchern. Gleichzeitig brennt in Brasilien seit Monaten die „Grüne Lunge“, um an neue Flächen zu gelangen. Diese wiederum werden u. a. für den Sojaanbau für die europäische Massentierhaltung genutzt. Fleischessende Politiker (das sind fast alle!) schlagen daher regelmäßig vor, doch lieber Nahrungsmittel vom „Bauern von nebenan“ zu beziehen. Roland Wegner hat bereits vor einigen Jahren einen dieser regionalen Tiermäster mit einer Gruppe Interessierter besucht und machte dabei erschreckende Erkenntnisse.
Auf dem Augsburger Stadtmarkt findet sich in der Viktualienhalle ein Verkaufsstand, der „Gablinger Truthahnspezialitäten“ vermarktet. „Getreideputen aus Gablingen“ ist die vertrauenserweckende Produktbeschreibung. Klingt irgendwie sogar nach bio, aber ganz sicher nach einen Produkt, dass zu 100% aus der Region stammen muss.
Wenige Kilometer von Augsburg entfernt wurden an der Produktionsstätte die Besucher vom Hofinhaber Klaus Dieter Bittner begrüßt. Selbstbewusst berichtete er, dass der Betrieb von ihm alleine aufgebaut wurde, mittlerweile habe er fast 20 Beschäftigte. Er lege Wert auf bestmöglichen Tierschutz und stelle sich auch gerne kritischen Fragen. Auf der Anlage war weit und breit kein freilaufender Truthahn zu sehen. Die gesamte 16-wöchige Produktion verläuft in überdachten Hallen.
Schnäbel werden gekürzt und bluten
Die erste Station war eine Aufzuchthalle mit 9 Tage alten Putenküken, die mittels Tiertransport von einer einige 100 Km entfernten Brüterei angeliefert wurden. Sie hatten genügend Platz in der mit Holzspänen frisch gestreuten Halle. Zudem sei für die Küken eine Fußbodenheizung installiert. In der Halle selber gab es weder Sonne noch Tageslicht. Es war daher verständlich, dass die Küken beim Öffnen der Tür nach draußen wollten, einigen gelang auch eine kurzzeitige Flucht an die frische Luft. Auffällig waren die blutunterlaufenen Schnäbel. Auf Nachfrage wurde vom Hofinhaber erklärt, dass der obere Teil des Schnabels gleich nach dem Eischlupf mittels Laser amputiert wurde, um die Tiere den sie zu erwartenden Haltungsbedingungen anzupassen. Ob die Küken dabei Schmerzen erleiden müssten, konnte nicht beantwortet werden. Roland Wegner hielt hier dem Inhaber das selbst recherchierte Beispiel vor Augen, dass bei freilaufenden Puten die Schnäbel nicht gekürzt werden müssten. Dies wurde vom Betreiber bestätigt, allerdings wäre diese Form der Tierhaltung für ihn wirtschaftlich unrentabel.
Baumvögel ohne Sitzstangen: Tierquälerei
20 Zentimeter über dem Boden verlaufen die Futterrohre, darüber ist ein feiner Draht gespannt, damit die Tiere sich hier nicht draufsetzen können. Angesprochen darauf, dass Puten ja eigentlich Baumvögel (Anmerkung: sie sitzen nachts auf Bäumen oder Stangen) seien und in den Ställen keine Stangen zu sehen sind, erhielten die Teilnehmer folgende Antwort: „Sitzstangen haben für mich als Fleischproduzent den Nachteil von Mehrarbeit. Die Puten würden dann häufiger auf den Stangen abkoten. Bei meinem System verteilt sich der Kot gleichmäßig in der Aufzuchthalle, gemistet wird erst nach der Ausstallung. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass sich die Tiere ganz gut an die vorgegebenen Gegebenheiten anpassen können und dadurch erhöhte Sitzgelegenheiten nicht besonders vermissen“, so der von seiner Haltungsart überzeugte Hofinhaber.
Statt Antibiotika erhielten die Gablinger Puten alle zwei Wochen Sprühimpfungen, die letzte drei Wochen vor der Schlachtung. Der Impfstoff gelangt ins Blut. Klaus Dieter Bittner konnte Wegners Frage nicht beantworten, ob sich der Impfstoff auch im Fleisch ablagert, „dafür müsse man wohl die Wissenschaftler fragen“. Trotz regelmäßiger Impfungen und ausreichendem Platz habe er seinen eigenen Aussagen nach pro Woche einen Verlust von 3-5 Tieren, die auf der Gablinger Putenfarm vorzeitig verenden. Bei einer 16-wöchigen Aufzuchtreihe wäre das ein Verlust von ca. 50 – 80 Puten.
Bauer von nebenan verfüttert „Regenwald“?
Da auf allen Werbeträgern die Aufschrift „Getreideputen aus Gablingen“ steht, schaute sich Wegner das Futter genauer an und stellte zu seiner Überraschung fest, dass es sich um eine bunte Futtermischung handelte, die nicht nur aus Getreide bestand. Damit konfrontiert gab Klaus Dieter Bittner zu, dass er u. a. auch importiertes Soja verfüttere. Er habe sich bislang nicht dafür interessiert, woher das Soja stamme und ob es genverändert sei, was bei den Teilnehmern für irritierte Blicke sorgte.
Nochmals auf den vertrauenserweckenden Werbeslogan „Getreideputen aus Gablingen“ angesprochen, entgegnete Bittner, dass dies rechtlich in Ordnung sei und er diesen Spruch nur aus marketingstrategischen Gründen gewählt habe. Für diese Bezeichnung würde es rechtlich gesehen ausreichen, wenn das Futter 50 Prozent Getreide enthält. Er mischt zum Getreide eine industriell gefertigte eiweißhaltige Futtersubstanz, die eben auch Soja enthält. Den Ackerbau für das Getreide lässt der Tierhalter von im Dorf ansässigen Landwirten verrichten.
Schlachtreif sind die Tiere bei dieser Art der Tierhaltung nach vier Monaten, was im Verhältnis zur biologischen Lebenserwartung von 10-15 Jahren eine sehr kurze Zeit ist. Getötet werden die Puten nur unweit ihres letzten Stalles, was stressige Tiertransporte entbehrlich machen. Sie werden lebendig mit den Beinen bzw. an den Flügeln aufgehängt und zur Betäubung durch ein Strombad gezogen, danach geköpft, um ausbluten und sterben zu können.
Fazit des Putenhalters: Solange das Kauf- und Essverhalten der Menschen und die Gesetzeslage unverändert bleiben, wird er auch sein System der Putenfleischerzeugung nicht verändern. Wenn er nicht mehr in dieser Form produziert, tun es andere Mäster.
Politik muss handeln!
Roland Wegner sah nach diesem Besuch die Bestätigung, dass das Bewusstsein der Menschen über ihre überwiegend industriell gefertigte Ernährung verbessert werden müsse. Die Politik müsse mit guten Beispiel vorangehen. Sei es bei der Bildung bereits in der Schule oder direkt bei öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Kindertagesstätten, Altenheimen, Krankeneinrichtungen und Kantinen, wo planzlich-vollwertige Lebensmittel angeboten werden müssen!
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