In Breitenborn unterhalb des Rochlitzer Berges zwischen Chemnitz und Leipzig findet man den Biohof Hausmann. Nach dem Tod des Vaters hatte Daniel Hausmann (26) den Hof 2012 übernommen, den er zusammen mit seiner Mutter bewirtschaftet. Der Veganer wollte auch bei der Landwirtschaft Tierleid vermeiden und stellte auf eine bio-vegane Landwirtschaft um. Daniel Hausmann studierte Ökolandbau und Vermarktung an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Wir haben uns mit ihm unterhalten, nachdem die Form der bio-veganen Landwirtschaft eine wesentliche Forderung im Programm der V-Partei³ („Agraragenda 2030“) darstellt.
Frage: Was genau bedeutet bio-veganer Landbau? Wie oder durch wen erfolgt die Zertifizierung?
Daniel Hausmann: „Diese Art von Landbau erfolgt zunächst nach den Richtlinien der EU-Bio Verordnung, also kein Einsatz von chemisch synthetischen Düngemitteln, oder – Pestiziden. Weiterhin ohne Einsatz von sog. „Nutztieren“, also auch ohne deren Produkte und Nebenprodukte. Somit keine Düngung mit Mist oder Gülle, aber auch nicht mit Schlachtabfällen, wie Haar-, Feder-, oder Blutmehl, wie es im Biolandbau oft noch üblich ist. Die Bio-Zertifizierung erfolgt dabei von unabhängigen Kontrollstellen. Eine Zertifizierung nach veganen Richtlinien gibt es derzeit noch nicht. Sie ist aber im Aufbau und wird vom Anbauverein „Biozyklisch-Veganer Anbau – BIO.VEG.AN.“ vorbereitet, später auch von den Bio-Kontrollstellen durchgeführt.“
Frage: Wo liegt der Unterschied zwischen Bio-Landbau und Bio-veganem Landbau?
Daniel Hausmann: „Der Hauptunterschied liegt in der Stickstoffdüngung. Da hole ich immer etwas weiter aus, und zwar beim konventionellem Landbau: Dort wird ja mit einem hohen energetischen Aufwand Stickstoff chemisch-synthetisch gebunden und damit dann die Pflanzen gegüngt. Dieser ist zwar sofort verfügbar, genauso aber auch schnell ins Grundwasser auswaschbar und führt dort zur Anreicherung von Nitrat. Im veganen Biolandbau wird dieser Prozess durch Lebewesen durchgeführt: Und zwar gibt es dafür eine Pflanzenfamilie, die Leguminosen. Diese schaffen es, zusammen mit den Rhizobienbakterien, den Stickstoff aus der Luft zu binden und für andere Pflanzen verfügbar zu machen. Im Prinzip derselbe Prozess, nur halt durch Pflanzen mit Hilfe von Sonnenenergie durchgeführt. Das Problem aus veganer Sicht ist ja, dass wir Menschen diese Leguminosen überwiegend nicht direkt verwerten können. Deswegen werden sie an Wiederkäuer, wie Rinder verfüttert. Im bio-veganen Landbau können wir das Kleegras nicht einfach weglassen. Aber wenn wir keine Wiederkäuer halten wollen, müssen wir diese irgendwie ersetzen, also das Kleegras anders nutzen. Das allerdings geht relativ einfach, indem man Kleegras kompostiert, und dadurch Dünger herstellt, oder den Aufwuchs in einer Biogasanlage vergärt und so Strom und ebenfalls Dung produziert. Man muss sich immer vor Augen halten: Die Kuh stellt keine Nährstoffe her. Sie wandelt nur die Stoffe aus dem Futter um und macht die Nährstoffe somit verfügbar. Dasselbe kann aber ein Komposthaufen, oder eine Biogasanlage auch.“
Frage: Was baust du konkret an und wie viel Fläche steht dir dafür zur Verfügung?
Daniel Hausmann: „Insgesamt bewirtschaften wir auf dem Hof ca. 25 Hektar. Die größte Fläche nehmen dabei Getreide und Kleegras ein. Außerdem haben wir ca. 2,5 Hektar Grünland inklusive einer Streuobstwiese. Auf 0,4 Hektar bauen wir Kartoffeln und auf ca. 0,5 Hektar Freiland sowie in einem 150m² Folientunnel bauen wir Gemüse an. Dort verbringen wir, also meine Mutter und ich, unsere Hauptarbeitszeit.“
Frage: Erkläre unseren Lesern doch bitte mal in groben Zügen, welche konkrete Nährstoffe die Pflanzen zum Wachsen benötigen, woher diese kommen und wie vor allem die umfängliche Düngung im bio-veganen Ackerbau funktioniert, damit die Böden entsprechend versorgt werden können
Daniel Hausmann: „Die Hauptnährstoffe, die die Pflanzen zum Wachsen benötigen sind Stickstoff, Phosphor und Kalium. Dazu kommen sämtliche Spurenelemente wie Calcium, Magnesium und so weiter. Den Stickstoff binden wie schon dargestellt die Leguminosen mit Hilfe der Knöllchenbakterien, wenn wir unser Kleegras anbauen und stellen ihn so für Folgekulturen bereit. Ansonsten düngen wir in gewissen Abständen mit fossilem Muschelkalk: Der enthält vor allem Calcium und Phosphor, aber auch wichtige Spurenelemente. Weiterhin experimentieren wir mit Kompost: Denn alle mit der Ernte abgefahrenen Nährstoffe müssen früher oder später wieder auf das Feld gebracht werden. Da bietet es sich beispielsweise an, Produkte zu verwenden, die bei der Herstellung von Lebensmitteln anfallen und im Moment zum Teil an Tiere verfüttert werden. So zum Beispiel die Maische (Anm. d. R.: ursprünglich: Getreide) beim Bierherstellen.“
Frage: wie entsteht Muschelkalk? Gelesen hat man auch schon von Dünger aus Meeresalgen, weißt du dazu mehr?
Daniel Hausmann: „Fossiler Muschelkalk entsteht durch Meeresablagerungen. Wichtig ist es, wirklich auch fossilen Muschelkalk zu kaufen. Dünger aus Meeresalgen finde ich auch eine gute Möglichkeit: So können wir die Nährstoffe wieder aus den eh schon überdüngten Meeren zurück holen und sie gezielt dort einzusetzen, wo wir sie brauchen. Da die konventionelle Landwirtschaft ja gerade das gegenteilige Problem, nämlich zu viel Nährstoffe durch die Gülle produziert, werden Algen bisher in einer noch nicht relevanten Menge nachgefragt.
Frage: Gemüsegärtner kennen auch den Geheimtipp „Brennnesseljauche“. Hast du damit auch schon experimentiert? Wäre das auch eine Möglichkeit für die Landwirtschaft im größeren Sinne?
Daniel Hausmann: „Experimentiert habe ich damit schon, es war aber für mich nicht im großen Stil einsetzbar. Prinzipiell ist es eine gute Idee, für den großen Maßstab bräuchte es aber entsprechende Möglichkeiten.“
Frage: Lässt sich deiner Meinung nach das bio-vegane Anbausystem auf die gesamte deutsche Landwirtschaft umsetzen, so dass dann auch alle satt werden können? Immer wieder hört man da ja die Argumente, dass man weniger Erträge erziele und dass es in Deutschland Gebiete gibt, wo Ackerbau nicht möglich sei.
Daniel Hausmann: „Ja, ich bin davon überzeugt. Bei bio und bio-vegan erzielen wir zwar nur in etwa die Hälfte der Erträge im Vergleich zum konventionellen Landbau. Dort wird dann aber z. B. mehr als die Hälfte der Getreideernte an „Nutztiere“ verfüttert und steht den Menschen gar nicht als direkte Nahrung zur Verfügung. Bei diesem Prozess geht außerdem sehr viel Energie durch die Körperwärme der Tiere, etc. verloren. In einem Kilo Rindfleisch stecken beispielsweise 6,5 Kilogramm Getreide und 36 Kilogramm Raufutter. Natürlich gibt es auch Gebiete in Deutschland, wo Ackerbau nicht möglich ist, dort kann dann z. B. Bioenergie produziert, oder Vetragsnaturschutz praktiziert werden. Im Übrigen kaufen die tierhaltenden Betriebe dort meistens auch Futtermittel, nicht wenig aus ehemaligen Regenwaldgebieten, dazu.“
Frage: Was würdest du einem Landwirt empfehlen, der 20 Hektar Grünland bewirtschaftet und weg von der Tierhaltung möchte? Wie kann er auf bio-vegan umstellen?
Daniel Hausmann: „Das kommt wiederum ganz auf den Landwirt an. Wie seine persönlichen Präferenzen sind. Warum er Landwirt ist und was genau er machen möchte. Man kann zum Beispiel eine Biogasanlage bestücken, oder Naturschutzflächen pflegen und so Biodiversität fördern. Neuere Techniken setzen auch bereits Graszellulose für die Produktion von Kunststoff oder Dämmmaterial ein. Mit einer Tonne Gras lassen sich ca. 500 Kg Zellulosefasern, 90 Kg Proteine, 615 Kwh elektrischer Strom, 900 Kwh Wärmeenergie und 269 Kwh Biogase gewinnen.
Frage: Konventionelle Landwirte, die derzeit noch auf die Massentierhaltung setzen, fragen natürlich auch nach der Rentabilität einer Landwirtschaft ohne Tierhaltung. Wie beurteilst du aus eigener Erfahrung die Möglichkeiten, ist die entsprechende Nachfrage vorhanden?
Daniel Hausmann: „Die Nachfrage an bio-vegan erzeugten Lebensmitteln scheint vorhanden zu sein – momentan haben wir hier lediglich ein Strukturproblem. Als Landwirt ist es sehr schwierig, die erzeugten Produkte auch als bio-vegan zu verkaufen. Da ist die Direktvermarktung derzeit der einzige Weg. Dabei muss man auch kreativ und bereit sein, Umstände in Kauf zu nehmen. Schwieriger ist es zum Beispiel bei „Massenprodukten“ wie Getreide: Solange es da keine Verarbeiter gibt, wird es auch schwierig bleiben, sein Getreide als bio-vegan zu verkaufen. Aber dort steht ja noch die normale Biovermarktung zur Verfügung. Aber als Gegenfrage: Wie sieht es denn mit der Rentabilität der Tierhaltung aus? Größere Tierhaltungsanlagen sind ja meist erst entstanden, weil kleinere nicht mehr rentabel waren und dann das „Wachsen-oder-Weichen-Prinzip“ galt. Oder schauen wir zur Milchproduktion. Seit Jahrzehnten klagen Landwirte über zu niedrige Milchpreise und meinen, die Produktion sei nicht kostendeckend. Trotzdem wird immer weiter und sogar noch mehr produziert und vom Staat subventioniert.“
Frage: Welche Rahmenbedingungen wünscht du dir für „bio-vegan“ von der Politik und was kann jeder einzelne tun?
Daniel Hausmann: „Die Politik muss in Sachen Landwirtschaft um 180 Grad umdenken, will sie ernsthafte Klima- und Verbraucherschutzpolitik betreiben. Es bedarf einer vernünftigen Öffentlichkeitsarbeit. Man muss weg von Empfehlungen wie „ein Glas Kuhmilch pro Tag sei gesund“. Es benötigt eine steuerliche Gleichberechtigung von Tier- und Pflanzenmilch inklusive Abschaffung der vergünstigten Mehrwertsteuer für alle tierischen Produkte. Tierhaltende Betriebe benötigen Umstellungsbeihilfen hin zum bio-veganen Betrieb (Investitionskostenzuschüsse, etc). Bio-vegane Flächen müssen eine höhere Flächenprämie erhalten. Nachfrage kann geschaffen werden durch einen gewissen prozentualen Anteil bio oder bio-vegan erzeugter Lebensmittel in öffentlichen Kantinen (Beispiel Österreich bei Einführung von Bio), so werden Strukturen und Vertriebswege geschaffen. Ganz wichtig sind strengere Richtlinien für die nicht-bio-vegane Landwirtschaft: Denn die verunreinigt ja z. B. das Grundwasser wovon wir alle betroffen werden. Und schließlich darf Glyphosat nicht weiter zugelassen werden.
Was kann jeder einzelne tun? Wichtig ist es natürlich, bio-vegan erzeugte Produkte auch zu kaufen: Denn Dinge, die niemand kauft, lohnen sich auch nicht zu produzieren. Bzw. wenn eine gewisse Nachfrage erkennbar ist, lohnt es sich dann natürlich für bestehende Betriebe, mehr zu produzieren, aber auch für andere Betriebe auf bio-vegan umzustellen. Mindestens genauso wichtig ist es, Infos zu verbreiten und anderen Leuten von der Idee zu erzählen, sowie politische Parteien zu unterstützen, die bio-vegan in ihrem Programm fordern.“
Frage: Welches Vertriebssystem setzt du für deine Erzeugnisse ein und wie kann man die Produkte auch mal testen, wenn man nicht in Sachsen wohnt?
Daniel Hausmann: „Wir versuchen möglichst viele verschiedene Gemüsearten anzubauen und packen dann Gemüsekisten mit wöchentlich wechselnden Inhalt. Diese verteilen wir dann über zwei Wege: Freitags fahre ich ca. 50 Kisten pro Woche in Leipzig aus und zusätzlich verschicken wir ca. 5-10 Gemüse- und Kartoffelkisten deutschlandweit per Paket. Dieses Versandsystem ist heuer aus der Not heraus entstanden: Im Sommer waren viele unserer Kunden im Urlaub und konnten kein Gemüse bestellen. In der Zeit hatten wir aber gerade viel Gemüse. So kam die Idee, es zu versenden: Dadurch konnten wir das Defizit ausgleichen und mussten kein Gemüse wegwerfen. Mittlerweile hat es sich als praktikabel erwiesen und ist fester Bestandteil im Betrieb geworden, den wir gern noch ausbauen möchten. Potential ist auf alle Fälle vorhanden. Und von der CO2-Bilanz her ist es auch nicht schlecht: Auf jeden Fall besser, als wenn jeder Kunde mit dem Auto zu uns auf den Hof käme. Gefühlt sogar effektiver, als wenn ich die Kisten mit einem halbvollem Transporter in Leipzig austeile.“
Weitere Informationen unter http://bio-hausmann.de , http://biozyklisch-vegan.de und http://biovegan.org/