Liebe Alexandra, du bist Landesvorsitzende des hessischen Landesverbandes der V-Partei³ und nun hast du dich auch für die Hessenwahl am kommenden Sonntag als Direktkandidatin aufstellen lassen. Bitte erzähle uns doch ein wenig von deiner Motivation, in einer Partei mit veganem Programm politisch aktiv zu werden.

Seit dreißig Jahren lebe ich bereits vegetarisch. Jedoch habe ich erst vor fünf Jahren zur veganen Lebensweise gefunden. Mir wurde klar, dass nur eine rein pflanzliche Ernährung und der Verzicht auf sonstige tierische Konsumgüter das Tieeleid beenden kann. Mir wurden dann auch die Zusammenhänge zwischen unserem Konsum und der Welthungerproblematik klar. Wir nehmen als Gesellschaft anderen die Ressourcen und die Lebensgrundlage weg und sehen nicht, was dadurch auch mit der Umwelt passiert. Deshalb will ich mich politisch in der V-Partei³ engagieren, da sie derzeit der einzige politische Akteur ist, der die Missstände sieht, versteht und etwas dagegen tun will.

In deiner politischen Karriere als Landesvorsitzende hast du gemeinsam mit anderen Verbandsmitgliedern bereits viele Initiativen in Sachen Tierrechte vorangetrieben. Erzähl uns doch bitte davon.

Neben unserer ständigen Aufklärungsarbeit über die Bedeutung von Tierrechten in persönlichen Gesprächen, beim Verteilen von Flyern, bei Stammtischen, aber auch bei öffentlichen Veranstaltungen, lag und liegt uns noch immer ein Projekt ganz besonders am Herzen: die Tierschutzverbandsklage. Diese sieht verschiedene Aspekte vor. Ich will nur einen herausgreifen: derzeit gibt es eine Kontrollpflicht durch Veterinärämter von zehn Jahren für Mastbetriebe. Dass dies viel zu wenig ist und der Erfüllung einer Aufsichtspflicht, die die Veterinäre gegenüber den Tieren haben, nicht einmal annähernd gerecht wird, leuchtet sicher auch jenen Menschen ein, die sonst mit Tierschutz nicht viel am Hut haben. Verstöße gegen das Tierwohl bleiben damit häufig unverfolgt. Deshalb fordern wir ein Tierschutzverbands-Klagerecht für Hessen, damit Vergehen gegen den Tierschutz konsequenter zur Strafverfolgung führen, wenn ansonsten tierschutzwidriges Untätigbleiben seitens der Behörden und Verwaltungen angezeigt ist.

Außerdem setzt sich die V-Partei als erste Tierrechtspartei Deutschlands gegen Tierversuche ein und versucht über dieses politische Tabuthema aufzuklären. Als man an der Uni in Frankfurt/Main für 200 Millionen Euro ein hochmodernes Versuchslabor baute, verwies man des Images wegen auf die Anwendung modernster Techniken und Verfahren und den Wert der Forschungserkenntnisse für die Gemeinschaft. Nach Auffassung der V-Partei³ gehören aber Tierversuche nicht zu einer modernen Lösung zur Erzielung von Forschungsergebnissen. Woher die vielen Gelder kommen, die derzeit in die universitäre Forschung mit Tierversuchen fließen, muss transparent aufgeschlüsselt werden. Wir befürchten, dass unter anderem Pharmaunternehmen seit längerem versuchen, unpopuläre Tests aus den eigenen Laboren auszulagern, indem sie Forschungsprojekte an Hochschulen finanzieren und mit jenen Tests betrauen. Wir wollen verhindern, dass öffentliche Institutionen und Universitäten zum verlängerten Arm der Tierversuchslobby werden. Die Drittmittelfinanzierung und -einwerbung ist daher an strenge Auflagen zu knüpfen; Tierversuche sind gesetzlich zu verbieten.

Als Tierfreund leide ich auch mit den vielen freilebenden Katzen, die in Hessen oft ein karges Dasein fristen. Seit 2015 gibt es eine Delegationsverordnung, welche unter anderem die Möglichkeit einer Katzenschutzverordnung vorsieht. Von dieser machen jedoch bisher nur wenige Kommunen Gebrauch. Die V-Partei³ macht sich aktiv stark für eine flächendeckende Umsetzung einer solchen Katzenschutzverordnung, die unter anderem die Kastration von freilebenden Hauskatzen vorsieht.

Hessen ist mit den Rüstungsherstellern Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, aber auch vielen Zulieferern sowie Beratungs- und Logistikunternhemen, die eng mit der Waffenindutrie verwoben sind, DER Rüstungsstandort Deutschlands. Äußerungen?

Ja, Hessen stellt in Sachen Rüstungsindustrie und leider auch beim Rüstungsexport einen traurigen Rekord auf. Da die Wirtschaft kräftig von der Ausfuhr profitiert, fällt es der etablierten Politik bisher auch nicht schwer, sich für die Rüstungshersteller stark zu machen. Das macht es für sie nötig, die hessische Verfassung bis zur Unkenntlichkeit für die Zwecke der Waffenfirmen umzudeuten. Nach unserer Auffassung verstößt die Produktion von Waffen und militärischem Gerät gegen Artikel 69 der hessischen Landesverfassung. Als Friedenspartei ist die V-Partei³ für einen sofortigen Rückzug aus der Waffenproduktion und für eine zivile Umnutzung der Standorte. Deutschesi, ingeniuerstechnisches Wissen darf nicht zur Unterstützung von Kriegseinsätzen und der Ermöglichung bewaffneter Konflikte eingesetzt werden.

Was ist dein persönliches Herzenprojekt?

Seit Jahren schon setze ich mich in der Obdachlosenhilfe für Menschen ein, deren Schicksale von unserer Gesellschaft viel zu oft ignoriert werden. Speziell für Wohnungslose mit Tieren mache ich mich persönlich stark. Die zahlreichen gesellschaftlichen Ressentiments gegen Menschen, die „durchs gesellschaftliche Raster gefallen“ sind, machen es ihnen, neben ihren ganz individuellen Leidensgeschichten, umso schwerer, Vertrauen in unsere Ordnung und die Menschen, die hinter ihr stehen, zu fassen. Deshalb suchen sich viele Obdachlose tierische Gesellschaft, um die fehlende menschliche Nähe auszugleichen. Diese Interaktion mit den Tieren ist oftmals der einzige Lichtblick in diesem harten und nicht selten gewaltvollen Leben auf der Straße. In vielen Obdachlosenzentren werden Menschen mit tierischen Gesellen jedoch diskriminiert. Sie bekommen seltener bis keine Aufenthaltsmöglichkeiten, was viele zwingt, sich zwischen der Chance auf eine kurzweilige warme Unterkunft und ihrem einzigen Gefährten entscheiden zu müssen. Ich setze mich ein für mehr tierfreundliche Obdachlosenunterkünfte. Auch um die tierärztliche Versorgung der Vierbeiner ist es nicht gut bestellt. Hier setze ich mich für mehr gesellschaftliches Engagement ein. Für mich bemisst sich das Rückgrat unserer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwachen, den Systemverlierern, den Stimm- und Wehrlosen umgeht. Derzeit können wir uns an Werten wie Empathie und Hilfsbereitschaft mit Wohnungslosen und ihren Tieren nicht messen lassen, weil unser Rückgrat dahingehend gebrochen ist.

Spitzenkandidatin Alexandra Munir-Muuß

Durch mein tägliches Engagement mit den Verlierern unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems bin ich besonders sensibilisiert für Probleme wie Wohnungsnot und sozialveträglichen Wohnraum. Fakt ist, dass der soziale Wohnungsbau in Hessen, wie in ganz Deutschland, klinisch tot ist. Investoren dominieren den Wohnungs- und Immobilienmarkt, was es für viele Teilnehmer der Gesellschaft, oder eben auch solche, die von ihr mittlerweile ganz ausgeschlossen oder immer weiter ins Abseits gedrängt werden, schwer macht, bezahlbaren und angemessenen Wohnraum zu finden. Ganz spontan würde ich sagen, lasst uns doch, wo möglich, Büros zu Wohnraum umgestalten. Auch würde ich es Investoren erschweren, dass diese Wohnungen leer stehen lassen; besonders in Ballungsgebieten, in denen Wohnraum knapp und die Mieten ohnehin schon völlig überteuert sind. Das wäre meine persönliche Antwort auf unser zutiefst menschenverachtendes Mietpreis-System, welches das Grundrecht auf ein Dach über dem Kopf mit Füßen tritt und Wohnraum zum Spekulationsobjekt macht.

Im Zusammenhang mit Allgeimeinwohl fördernden Maßnahmen wäre ich daher auch für eine Entprivatisierung des Gesundheitsversorgungssystems. Krankenhäuser sollten in öffentlicher Hand sein; ihr Umbau zu Aktiengesellschaften oder anderen gewinnorientierten Formen sollte rechtlich reglementiert oder gar verunmöglicht werden.
Die V-Partei³ spricht sich in ihrem Parteiprogramm für eine vollwertig-pflanzliche Versorgung in allen öffentlichen und sozialen Einrichtungen aus. Dementsprechend sollte auch in Krankenhäusern den Patienten, aber natürlich auch dem medizinischen Personal, eine solche Verpflegung geboten werden.